Predigttext: Lk 17,20-24(25-30)

Liebe Gemeinde,

‚Dein Reich komme‘ – so beten Christinnen und Christen im Gebet, das ihnen Jesus selbst gegeben hat. Ob sie jeweils genau wissen, worum sie da beten. Ich weiß es nicht so ganz genau, will aber doch glauben, dass sie eine Ahnung, vielleicht sogar eine Hoffnung damit verbinden. Die freudige Erwartung, dass das, was wir erleben nicht Gottes letztes Wort ist, sondern nur eine vorläufige Welt, in der die Menschen Freude und Glück, aber auch Leid, Krieg und Terror erleben. Reich Gottes ist nicht nur etwas für nach dem Tod, es ist auch etwas, das sich auf dieser Welt ereignen soll. Und natürlich erwartet jeder das Beste – für sich.

Das war schon zu den Zeiten Jesu. Damals wurden die Zeiten als bedrückend und fremdbestimmt empfunden. Die Römer herrschten und erfanden ab und zu neue Schikanen. Der jüdische Glaube hatte zwar gewisse Privilegien, aber man fühlte sich trotzdem nicht wohl. Immer wieder gab es kleinere Aufstände und manch selbst ernannter Messias trat auf, um das Reich Gottes mit kriegerischen Mitteln herbeizuführen.

Die Menschen waren sehr verunsichert in ihrer Lage und warteten auf Anzeichen, dass Gott nun sein endgültiges Reich aufrichten werde – und darum fragten einige Gelehrte Jesus:


[20] Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann; [21] man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch. [22] Er sprach aber zu den Jüngern: Es wird die Zeit kommen, in der ihr begehren werdet, zu sehen einen der Tage des Menschensohns, und werdet ihn nicht sehen. [23] Und sie werden zu euch sagen: Siehe, da!, oder: Siehe, hier! Geht nicht hin und lauft ihnen nicht nach! [24] Denn wie der Blitz aufblitzt und leuchtet von einem Ende des Himmels bis zum andern, so wird der Menschensohn an seinem Tage sein.

([25] Zuvor aber muss er viel leiden und verworfen werden von diesem Geschlecht. [26] Und wie es geschah zu den Zeiten Noahs, so wird's auch geschehen in den Tagen des Menschensohns: [27] Sie aßen, sie tranken, sie heirateten, sie ließen sich heiraten bis zu dem Tag, an dem Noah in die Arche ging und die Sintflut kam und brachte sie alle um. [28] Ebenso, wie es geschah zu den Zeiten Lots: Sie aßen, sie tranken, sie kauften, sie verkauften, sie pflanzten, sie bauten; [29] an dem Tage aber, als Lot aus Sodom ging, da regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel und brachte sie alle um. [30] Auf diese Weise wird's auch gehen an dem Tage, wenn der Menschensohn wird offenbar werden.)


Blitz und Donner – ein Unwetter. Solche Dinge haben Menschen schon immer erschreckt und darum hat man entweder versucht, sie zu ergründen oder ihren Ursachen in Gottes Händen zu suchen. Ob Zeus oder Thor. Beide werden oft als Blitze schleudernd dargestellt. Martin Luther wurde von einem Blitz zu einem Gelübde gebracht, das ihn ins Kloster brachte.

Und heute wissen wir fast alles über Blitz und Donner – und trotzdem erschrecken wir, wenn es uns überrascht. Es ist langweilig, wie die Naturwissenschaften dem Blitz seine mythische Bedeutung genommen haben. Nun ist alles erklärbar – so scheint es, aber wenn dann doch auf freiem Feld ein Gewitter Einen überrascht mit Blitz und Donner, dann wird man doch empfindlich für das überraschende Wüten der Natur, dann ist die Wissenschaft auch keine rechte Hilfe.
Es ist auch an manch anderen Stellen langweilig, wie die modernen Wissenschaften alles erklärbar gemacht haben. Und wenn uns dann doch das Erklärbare trifft erschrecken wir bekommen Angst. Erklärbar allein ist noch keine wirkliche Hilfe.
Ich glaube davon will Jesus auch erzählen. Menschen suchen nach Zeichen, nach Verstehen und Gründen. Sie erwarten deutliche Signale für das Kommen des Reiches Gottes.
Und er muss sie enttäuschen: So wenig wie aus jeder dunklen Wolke Blitz und Donner kommen, so wenig sind die Zeichen eindeutig, dass die Geduld Gottes mit seiner Schöpfung nun am Ende sei und sein Reich kommt.
Das wäre doch nun wirklich ein Ziel: Gelassenheit und Wachsamkeit bei allen Weltuntergangsszenarien. Egal, ob es ein großes Erdbeben ist oder der drohende Atomkrieg. Für manche Menschen war der 9.11.1938 so ein Menetekel – ein Zeichen der Zeit. Da musste doch Gott dreinschlagen, meinten die Einen – und die anderen feierten schon den Sieg der Barbarei über das Kulturvolk der Juden. In Wirklichkeit war das, was damals in Deutschland geschah eine große Niederlage der Menschlichkeit.

Wer beobachten will, wann das Reich Gottes kommt, wird scheitern. Wer die Welt und ihre Zeichen nicht ernst nimmt, auch. Ich muss die Zeichen der Zeit beobachten und versuchen sie zu deuten. Aber Gottes Reich kommt, wann es will. Da darf ich Gott Gott sein lassen und ihm das Handeln überlassen. Aber Gott hat den Menschen geschaffen, dass er solange es seine Schöpfung gibt, er in ihr an seiner Stelle handelt. Wir sind Stellvertreterinnen und Stellvertreter Gottes in seiner Schöpfung.

Und wenn wir beten ‚Dein Reich komme‘, dann beten wir, dass Gott seine Schöpfung vollendet, dass er sein Werk vollendet und uns von der Verantwortung für diese Welt entlastet.

Die Frage nach dem Reich Gottes ist wichtig, auch wenn sie wahrscheinlich keiner so ohne weiteres immer im Blick hat. Im Grunde aber verbirgt sich hinter der Frage nach dem Reich Gottes, die Frage nach dem Ziel unseres Lebens, vielleicht auch die Frage der Reformation nach dem gnädigen Gott. Die Frage, wie lebe ich, wie gestalte ich mein Leben in einer Welt, die unvollkommen ist, in der Menschen einander das Leben schwer, ja manchmal zur Hölle machen, in einer Welt, in der Krieg, Terror und Gewalt normal zu sein scheinen. Wie lebe ich meinen Glauben in einer Gesellschaft, an der so wenig Christliches ist. Manchmal kommt da die Sehnsucht, dass Gott dreinschlagen möge und Ordnung bringen in seine Welt.

Und hier hilft uns Jesus: Das Reich Gottes ist mitten unter Euch. Seit Jesus auf Erden war, ist mit Jesus das Reich Gottes gekommen. Es ist noch nicht vollendet, aber es ist da. Mitten unter uns. Wenn wir uns am Sonntag zum Gottesdienst treffen, ist es da. Wenn wir uns die Frage nach unserem Leben stellen, wie gestalte ich mein Leben: Dann gilt Jesu Zusage: Wenn Du willst, nimm teil: Das Reich Gottes ist mitten unter Euch. Diesen Zuspruch gibt uns Jesus. Bis das Reich Gottes in Vollendung kommt, lebt so, wie ich es euch geboten habe.

Sehnsucht gehört zum Glauben dazu, aber auch Mut. Der Mut standzuhalten in einer Welt, in der es blitzt und kracht. Standzuhalten in einer Zeit, in der irgendwelche Propheten immerzu den Untergang des christlichen Abendlandes heraufbeschwören und in der Vertrauen auf Gottes Handeln in der Welt klein geschrieben wird.

Die Frage nach dem Kommen des Reiches Gottes bleibt spannend. Welche Erwartungen verbinde ich mit dem Reich Gottes und wie kann ich merken, wann es hereinbricht.

Jesus kommentiert die letzte Frage: Wenn das Reich Gottes da ist, dann weiß ich es. Dann ist alles klar. Darum muss ich nicht auf die Weltuntergansprediger hören, diese Katastrophen-Redner, die immer wissen, dass das jetzt das Ende ist, egal, was es gerade ist.

Ich darf darauf vertrauen, dass es Gott selber ist, der sein Reich, seinen Frieden und seine Gerechtigkeit heraufführen wird. Und ich darf dankbar annehmen, dass ich nicht selber das Reich Gottes auf Erden bauen muss. Ich darf das Meine tun, den Willen Gottes zum Klingen in der Welt zu bringen. Und den Rest in Gottes Hände legen. Wie gut, dass er uns trägt und leitet.

So spreche ich Amen. So soll es sein.