Johannes 21, 1-14
Liebe Gemeinde!
Wie geht
es eigentlich nach Ostern weiter? Vor einer Woche noch haben wir
festliche Ostergottesdienste gefeiert, und uns wieder neu
anrühren lassen von der besten Nachricht der Welt, von der
ungeheuerlichen und unerhörten Botschaft, dass Jesus den Tod
besiegt hat und dass er auch uns durch den Glauben an ihn zu
einem ganz neuen, ja zum ewigen Leben auferweckt.
Gestaunt
haben wir über die Osterbotschaft des Engels am leeren Grab: Er
ist nicht hier; er ist auferstanden![1] Die
zurückgelassenen Leichentücher und die verlassene Grabnische
bot der Engel Gottes als Beweis für seine unfassbare Nachricht
an.
Trauer,
Furcht, Entsetzen, Schrecken, Zweifel, Freude alle
Stimmungsschwankungen und Gefühle wogten bei dieser Nachricht
wild durcheinander. Der erste Ostermorgen ließ völlig verwirrte,
durcheinander gebrachte und verstörte Jüngerinnen und Jünger
zurück. Eine Hoffnungsbotschaft hatten sie gehört, die sie mit
ihrer Lebenswirklichkeit noch gar nicht zusammenbringen konnten.
Vielleicht
geht es uns heute ganz ähnlich wie den ersten Adressaten der
Auferstehungsbotschaft. Natürlich, die gute Nachricht von Ostern
haben wir wieder einmal gehört, aber realisieren wir sie
wirklich? Wie passt sie zu unserem Leben? Ändert sich dadurch
etwas, oder geht es weiter wie bisher, als wäre Ostern nicht
gewesen, als wäre Ostern überhaupt nie geschehen?
Der
Osterurlaub ist zu Ende, die Osterferien sind vorüber. Jetzt
geht der Alltag wieder richtig los. Die Unterbrechung, die das
Fest gebracht hat, ist vorüber. Selbst der Osterschmuck wird in
manchen Häusern und Gärten schon wieder weggeräumt. Ostern
nur ein Startschuss für den Frühling, ein schöner Gedanke
vielleicht und weiter nichts?
Nun, die
ersten Osterzeugen gingen auch wieder an die Arbeit. Der Alltag
hatte sie wieder. Der Evangelist Johannes hat genau festgehalten,
was nun nach den aufwühlenden Ereignissen in Jerusalem ein paar
Tagesreisen entfernt in Galiläa am See Genezareth nahe der
Ortschaft Tiberias geschehen ist. Im Johannesevangelium, Kapitel
21, Verse 1 bis 14, wird ausführlich darüber berichtet:
Danach [nach den Osterereignissen in
Jerusalem] offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See
Tiberias. Er offenbarte sich aber so: Es waren beieinander Simon
Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus
Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere
seiner Jünger. Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen
gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie
gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen
sie nichts. Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer,
aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Spricht Jesus
zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm:
Nein. Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des
Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konntens
nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. Da spricht der
Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als
Simon hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das
Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser. Die
andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern
vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den
Fischen. Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer
und Fische darauf und Brot. Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von
den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! Simon Petrus stieg
hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische,
hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss
doch das Netz nicht. Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das
Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer
bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Da kommt Jesus
und nimmt das Brot und gibts ihnen, desgleichen auch die
Fische. Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern
offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.
Mit sechs
seiner Weggefährten hatte Petrus das alte Fischerboot wieder
flott gemacht. Ich will fischen gehen, so hatte er zu
ihnen gesagt und damit den Versuch unternommen, wieder zu einer
Normalität im Leben zurückzukehren.
Die
Hinrichtung in Jerusalem, das leere Grab, die Erscheinung vor den
Jüngern, das alles spukt in seinem Kopf herum; und er will dem
Spuk ein Ende bereiten. Nach Galiläa ist er zurückgekehrt, denn
nun soll alles wieder sein wie vorher.
Seine
Freunde pflichten ihm bei: Wir wollen mit dir gehen.
Auch sie wollen in ihren alten Beruf zurück. Deshalb steigen sie
ins Boot, wie früher. Sie haben nichts verlernt. Die dunkle
Nacht schlagen sie sich auf dem See um die Ohren. Doch im
Morgengrauen rudern sie mit leeren Netzen dem Ufer entgegen.
Dort am
Ufer steht jemand, der die Bootsbesatzung in ein Gespräch
verwickelt: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Nein,
antworten Petrus und seine Freunde und lassen sich dabei die
vertraute und auch recht bevormundende Anrede gefallen.
Werft
das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden,
so hören sie die Anweisung des Unbekannten am Ufer. Die
erfahrenen Fischer tun es, völlig entgegen ihrer sonstigen
Gewohnheiten. Wie soll im Morgengrauen noch ein Fisch ins Netz
gehen?
II.
Ganz
nebenbei stellt sich jedoch ein Déjà-vu ein: Hatten sie diese
Szene nicht schon einmal erlebt, Petrus und seine Freunde? Mitten
am Tag hatten sie einen großen Fang gemacht, die Netze drohten
zu zerreißen. Auch jetzt wieder konnten sie das Netz wegen der
Menge der Fische kaum noch ziehen.
Johannes
spricht zuallererst aus, was alle denken: Es ist der Herr!
Petrus wirft sich ins Wasser und will möglichst schnell ans Ufer
zu Jesus. Auch die anderen kommen nach und bringen den Fang an
Land. Petrus hilft dabei.
Ein
zweites Déjà-vu erwartet sie: Auf einem Kohlenfeuer liegen
bereits gebratene Fische und Brot steht bereit. Sie werden alle
satt. Fünf Brote und zwei Fische, das hatte einst gereicht, um
5000 Leuten den Hunger zu stillen. Kein Zweifel: Es ist der
Herr! Niemand muss mehr nachfragen, jeder weiß es.
Mitten in
ihrem Alltag, mitten bei der Arbeit hatte sich Jesus als der
Auferstandene gezeigt. Und so macht er es heute noch, auch bei
uns. Mitten in unserem Alltag, mitten bei der täglichen Arbeit
will er uns die Osterwirklichkeit unter Beweis stellen. Er selber
ist es, der sich einmischt in unser Leben. Und wir werden es dann
erkennen: Ja, es ist der Herr!
Wie aber
geschieht es? Was sind die Voraussetzungen für diese Erkenntnis?
Nun, die Jünger hatten wenigstens den Hinweis, sich nach
Galiläa aufzumachen, befolgt. Dann hat sich Jesus ihnen gezeigt,
sich ihnen offenbart, wie er es versprochen hatte.
Auch für
uns heute gibt es einen solchen Begegnungsort mit dem
Auferstandenen, den wir unbedingt aufsuchen müssen, damit er
sich uns zu erkennen geben kann. Denn unser Galiläa ist die
Bibel, Gottes Wort, das Evangelium von Jesus Christus.
Hier kann
man etwas über Jesus erfahren. Hier ist berichtet, was Jesus
unter uns Menschen getan hat und zu welchem Sinn und Ziel er
leiden musste und am Kreuz gestorben ist. Hier will sich Jesus
auch uns als lebendiger Herr und Heiland zeigen und sich zu
erkennen geben. Wer ihn in seinem Wort suchen wird, von dem wird
er sich auch finden lassen, so hat ers versprochen.
Aber es
ist immer Jesus selber, der uns von seiner Auferstehung
überzeugen muss. Zusammengelegte Leichentücher und leere
Grabeshöhlen sind zwar Zeichen, aber eben kein Beweis. Nur die
persönliche Begegnung mit Jesus überzeugt.
Mancher
erkennt Jesus gleich bei der ersten Begegnung, so wie der
Christenverfolger Saulus, der nach der Lichterscheinung des
Auferstandenen zum Missionar Paulus wurde. Saul, Saul, was
verfolgst du mich? so hatte er ihn ganz persönlich angeredet.
Andere
wiederum forschen lange in der Schrift, so wie der Kämmerer aus
dem Morgenland, und sie erkennen den Auferstandenen erst, wenn
ein Kundiger die Schrift erklärt. Verstehst du auch, was du
liest?[2] hatte
Philippus das Problem des hohen Beamten aus Äthiopien auf den
Punkt gebracht und ihm dann Jesus als den Auferstandenen gezeigt,
verkündigt.
III.
Zumeist
sind es die ganz persönlichen Fragen, mit denen Gott uns
anspricht. Kinder, habt ihr nichts zu essen? so redet
der Auferstandene seine Jünger an und lässt sie dann erfahren,
wie er für sie sorgt, wie er sie nach erfolgloser Nacht
empfängt und allen Mangel ausfüllt. Es ist der Herr!
Ein zweites Mal haben sie auf dem See Tiberias den Fang ihres
Lebens gemacht.
Es gibt
eine ganze Reihe von Bibelstellen, in denen Gott eine ganz
persönliche Frage an uns Menschen richtet. Die meisten dieser
Fragen treffen mitten ins Herz. Es sind Fragen, die einen
schwachen Punkt ansprechen, die ein Versagen oder einen Mangel
aufzeigen.
Es sind
aber immer Fragen, die uns die Größe Gottes bewusst machen und
die uns zur Erkenntnis finden lassen: Ja, es ist der Herr!
Auch am Ufer unserer Zweifel und Ängste, unserer Furcht und
Unsicherheit steht Jesus und spricht uns an. Hörst du auch die
Frage, die er an dich richtet?
Donnerstagabend.
Wie immer trifft sich der Hauskreis. Ehe sich die Teilnehmer
ihrem Bibelabschnitt zuwenden, gibt es noch ein kleines Bibelquiz.
Wer kennt Bibelstellen, in denen Gott bzw. Jesus einem
Menschen eine Frage stellt? Sieger wird Matthias. Nicht
weniger als sechzehn Bibelstellen hat er auf seinem Zettel.
Eine
kleine Auswahl seiner Liste unterstreicht, dass Gott uns immer
ganz persönlich meint, ein Grundproblem unseres Lebens anspricht
und sich dann als lebendiger Herr erweist. Schon ganz am Anfang
der Bibel geht es los: Adam, wo bist du?[3] so ruft er
den Sünder zur Umkehr. Oder Wo ist dein Bruder Abel? so
deckt er die Schuld auf.
Wollt
ihr auch weggehen? so stellt er die Jünger in die
Entscheidung. Willst du gesund werden? so spricht er die
tiefe Sehnsucht der Menschen an. Warum seid ihr so furchtsam?
so tadelt er das mangelnde Vertrauen seiner Nachfolger. Könnt
ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? so drückt er
seine Enttäuschung aus.
Immer
geht es um unsere Welt des Todes und um die Möglichkeit zu einer
heilsamen Begegnung mit dem Auferstandenen. Da in der Bibel, in
der persönlichen Anrede durch sein Wort können wir Gewissheit
finden, dass Jesus lebt, dass er auferstanden ist und heute noch
am Werk ist. Er kann es auch in Ihrem Leben sein!
IV.
Eine
Frage will ich zum Schluss noch klären: Vielleicht haben Sie
sich gefragt, warum die Jünger ausgerechnet 153 Fische gefangen
haben. In der Tat, das ist eigenartig, dass sie ganz genau
nachgezählt haben, wie viele Fische da ins Netz gegangen waren.
Groß sind sie auf jeden Fall gewesen und letzten Endes auch ein
Hinweis darauf, wie nun die Zukunft der Jünger Jesu aussah.
Denn 153
soll nach altkirchlicher Überlieferung die präzise Anzahl der
in der Antike bekannten Fischarten gewesen sein. Und diese
Gesamtzahl der Fische steht hier wohl für die Gesamtzahl aller
Völker der Erde. Denn alle Völker der Erde sollen zu der
Erkenntnis kommen wie die sieben Jünger am See Tiberias: Es
ist der Herr!
Der
Auftrag zur Mission ist in der Anzahl der Fische versteckt. Auch
wir sollen die Ostererfahrung nicht für uns selber behalten,
sondern sie weitergeben und weitertragen in die Welt hinaus:
Der Herr ist auferstanden, Halleluja! Er ist wahrhaftig
auferstanden, Halleluja! Es stimmt tatsächlich. Es ist
kein Hirngespinst. Es ist die Realität.
Mag sein,
dass auch wir - ähnlich wie die Jünger - immer wieder einmal
nachts vergeblich zum Fischfang auf den See unserer alltäglichen
Geschäfte hinausfahren. Jesus steht am Ufer und erwartet uns. Er
bereitet uns das Mahl, während wir noch unterwegs sind.
Und was
daran das Beste ist: Er zeigt sich uns immer wieder als der
Auferstandene; und er will, dass wir es endlich begreifen, dass
der Glaube an ihn auf ewig rettet und Ostern durch keine Macht
der Welt zu überbieten oder gar zu zerstören ist. Amen.