1.Samuel 2,1-2.6-8a
Hanna betete und sprach:
Mein Herz ist fröhlich in dem
Herrn, mein Haupt ist erhöht in dem Herrn.
Mein Mund hat sich weit aufgetan wider
meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils. Es ist niemand
heilig wie der Herr,außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie
unser Gott ist. Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinab
zu den Toten und wieder herauf. Der Herr macht arm und macht
reich; er erniedrigt und erhöht.
Er hebt auf den Dürftigen aus dem
Staub und erhöht den Armen aus der Asche,
dass er ihn setze unter die Fürsten
und den Thron der Ehre erben lasse.
Herr, segne unser Reden und Hören durch
deinen Heiligen Geist. Amen.
Liebe Gemeinde,
So redet Hanna, besoffen vor Glück! Darf
ich vorstellen: Hanna! Mutter von Samuel, der David zum König
salbte vor 3000 Jahren. Hanna, die zweite Frau von Elkana. Hanna
die kinderlose. Hanna die junge, schöne, lebendige und trotzdem
schon tot. Ein erstorbener Leib, in dem kein neues Leben
entstehen will. Hanna, die schier zugrunde geht, wenn sie die
andere Frau ihres Mannes triumphierend sitzen sieht im Kreis
ihrer Kinder. Dann weint sie und isst nichts.
Dann nimmt ihr Mann sie in den Arm und
sagt: Hanna sei nicht traurig! Bin ich dir nicht mehr wert,
als zehn Söhne? Was für ein guter Mann. Andere werden
schon deutlich. Zeigen mit Fingern auf sie, wenn sie über den
Marktplatz läuft. Schaut mal, die Hanna! Eine Frau wie eine
Sackgasse. Isst das Brot ihres Mannes umsonst. Hat keine Zukunft,
gehört in die Wüste geschickt!
Hanna lehnt am Türpfosten des Tempels,
weint, redet, betet. Eli der Priester wird auf sie aufmerksam.
Hanna, die schließlich nur noch in ihrem Herzen spricht, nur
ihre Lippen bewegen sich. Hanna nicht einmal mehr Stimme. Hanna,
die in ihrem Elend nur noch abfließen kann wie ein Strom. Bist
du betrunken?, fragt Eli. Ja, sagt Hanna, von meinem Unglück.
Mein Gott, ist das ein Leben. Eigentlich bin ich schon tot.
Aber Achtung, liebe Gemeinde, jetzt kommt
Hanna, besoffen vor Glück. Hanna, die mit ihrem Kind auf dem Arm
wild durch die Stube tanzt. Hanna, die, wenn sie betet, nicht
redet. Hanna singt! Mein Gott, du tötest und machst lebendig. Du
führst hinab zu den Toten und wieder herauf. Du machst arm und
machst reich. Du hebst mich aus dem Staub, du erhöhst mich aus
der Asche. Ich fliege vor Glück! Hanna die Auferstandene!
Ist das eine Ostergeschichte? Und ob!
Genauso erstaunlich und wunderbar wie das leere Grab! Ist uns
schon einmal etwas ähnliches passiert? Oder was hätten wir der
heulenden Hanna am Türpfosten des Tempels gesagt? Kopf hoch
Hanna; geh heim; so wie du darf man sich wirklich nicht hängen
lassen; stürz dich in Arbeit, such dir eine Beschäftigung;
lenke dich ab; sei stark und lass dir nichts anmerken; das kann
man ja nicht mehr mit ansehen.
Und hätten wir der jubelnden Hanna nicht
auch spontan etwas zu sagen, wie: Hanna, bist du verrückt? Bleib
auf dem Teppich. Was sollen denn die Nachbarn denken? Hanna, die
zu Tode betrübte, die himmelhochjauchzende, Hanna, die lebendige
eben! Gibts die noch wirklich, oder nur im Roman, im Film
oder nur im Theater? Verstehen wir noch etwas von ihren
Erfahrungen?
Liebe Gemeinde, wir leben zu wenig, wir
funktionieren zu viel! Wir beißen zu oft die Zähne zusammen!
Warum erlauben wir uns so wenig zu trauern, zu weinen,
verzweifelt zu sein? Warum erlauben wir uns und anderen so wenig,
Schwäche zu zeigen? Mutter, du darfst jetzt nicht sterben. Wir
brauchen dich noch!
Warum erlauben wir uns so wenig, lebendig
und glücklich zu sein, nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern
offen und laut? Ist das nun Reife, Stärke oder Hilflosigkeit
oder Angst oder vielleicht noch was Schlimmeres? Nur Leichen
bleiben immer cool!
Gott tötet und macht lebendig, führt
hinab zu den Toten und wieder herauf. Was für Sätze über Gott,
was für Worte über das Leben! Darf ich vorstellen: Hanna, eine
Frau und ein Leben nach Gottes Geschmack. Eine Frau, die ihren
Höhen und Tiefen nicht ausweicht, die dableibt im Glück und im
Unglück, beherzt und geistesgegenwärtig. Eine Frau, die sich
traut. Eine Frau, die sagen kann: Wer seinen Höhen und
Abgründen nicht ausweicht, findet die Gegenwart Gottes.
Das ist mehr als eine billige Weisheit.
Das ist mehr als zu sagen, das Leben hat eben Höhen und Tiefen
und auf Regen folgt irgendwann Sonnenschein. Hanna sagt mehr:
Gott führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Gott führt
wie eine Mutter ihr Kind an der Hand. Gott führt
nicht durch ein Leben wie eine Fahrt auf einer neu gebauten
Autobahn. 80 Jahre freie Fahrt. Wo haben manche Menschen nur
solche Vorstellungen, Erwartungen und Ansprüche an ihr Leben und
an Gott her. Aus der Bibel jedenfalls nicht. Gott führt hinab zu
den Toten und wieder herauf. Aber egal ob hinauf oder hinab und
selbst am Ende der Reise gilt: Gott führt. ER hält uns an
seiner Hand.
Das ist mehr als eine Lebensweisheit. Das
ist seit Karfreitag und Ostern das göttliche Geheimnis allen
Lebens. Denn das Leben, der Tod und die Auferweckung des Jesus
von Nazareth sagen: Gott selbst weicht den Höhen und finsteren
Abgründen unseres menschlichen Lebens nicht aus. Er ist ein Gott,
der dableibt im Glück und im Unglück. Der Christus läuft nicht
davon. Er bleibt, beherzt und geistesgegenwärtig, bis sich das
Grab über ihm schließt. Aber an Ostern sagt Gott: Nein! Nein zu
dem Tod, der zunichte machen will, was Jesus gelebt, getan und
geredet hat. Ein solches Leben nach Gottes Geschmack, das wird
nicht beerdigt. Das bleibt in Kraft. Das soll gelten! Was für
neue Horizonte für unser Leben tun sich da am Ostermorgen auf!
Ostern ist deshalb ein Fest der Freude
und Hoffung. Auch wenn wir sagen müssen: Was da geschehen ist,
bleibt ein Geheimnis. Historisch bleibt es im Nebel. Aber was
sind schon historische Wahrheiten? Alle sind sie zu leugnen, alle
sind zu verdrehen. Um all ihre Lehren kann man sich mühelos
drücken.
Ostern fragt nach unserem Glauben. Der
Gott, der nicht Gott sein will, ohne in den Höhen und Abgründen
bei uns zu sein, fragt nach unserem Vertrauen. Seine Hand fragt
nach unserer Hand. Auferstehung gehört mitten ins Leben.
Welche Kraftquellen der Hoffnung fangen
da an zu sprudeln. Und vielleicht laufen so viele vor ihrem Leben
lieber davon, weil man das ohne solche Kraftquellen gar nicht
kann: Im eigenen Leben ganz dableiben, den eigenen Abgründen,
dem eigenen Unglück nicht ausweichen. Wie tröstlich mit Hanna
zu sagen: Gott führt hinab. Auch meine Tränen fallen in seine
Hand. Die lässt mich nicht los.
Und vielleicht kann man auch das andere
ohne solche Kraftquellen nicht: Das eigene Leben feiern und
glücklich sein, sich dankbar gehen lassen ohne Angst vor dem
Morgen, tanzen und singen ohne den bitteren Vorgeschmack der
Vergänglichkeit. Welcher Vergänglichkeit? Gott führt hinauf!
Hanna sagt: Gott führt hinab zu den
Toten und wieder herauf. Nicht umgekehrt. Wie erstaunlich! Das
ist eine Umkehrung unseres Lebenswegs. Aber auch darin gibt die
Ostergeschichte der Hanna recht. Der Auferstandene gibt die
Richtung an, in die unsere Geschichte an Gottes Hand führt: Ins
Leben! Wie wird das sein? Keine Ahnung! Aber schauen wir Hanna
nach, wie sie tanzt